Petar Rosandić alias Rapper Kid Pex hilft Geflüchteten und bewegt als Menschenrechtsaktivist. Und gewinnt den Ferdinand Berger-Preis 2023 des DÖW.
Sehr entspannt sitzt Petar „Pero“ Rosandić am Wiener Yppenplatz. Der 38-Jährige schaut einen interessiert an: „Und wie läuft’s bei Südwind?“ Beim Interview für dieses Porträt soll es eigentlich um ihn gehen. Daran muss er immer wieder erinnert werden, denn er spricht offenbar lieber über andere als über sich. Wertschätzend redet er von jenen, mit denen er zusammenarbeitet, sich vernetzt und Menschen, die ihn inspirieren. Die sind fast alle weiblich: „Ich hoffe, Frauen werden unsere Zukunft gestalten.“
Er erzählt zudem viel über jene, die zu oft vergessen werden, wie er sagt: Geflüchtete, die ihr Leben riskieren; und dann oftmals in einer Sackgasse landen, etwa wenn sie unrechtmäßig von Österreichs Grenzen zurückgeschoben und am Balkan in einem Camp unter skandalösen Bedingungen festgehalten würden.
Das will Rosandić ändern, gemeinsam mit seinen Mitstreiter:innen: 2019 startet er die NGO SOS Balkanroute, nachdem er sieht, wie Geflüchtete in Vučjak in Bosnien auf einer ehemaligen Müllhalde neben einem Minenfeld hausen müssen.
Lange kannte man den Wiener als Rapper Kid Pex. Politisiert habe ihn schon die Flucht seiner eigenen Familie von Kroatien nach Österreich im Zuge des Balkankrieges in den 1990ern.
Über die Jahre wuchs sein Engagement. Ein wichtiger Moment für ihn war die Besetzung der Wiener Votivkirche durch Geflüchtete im Jahr 2013. Der Hip-Hopper Kid Pex wanderte immer mehr in den Hintergrund, hervor trat der Menschenrechtsaktivist Rosandić.
Mit Effekt. „Mein Antrieb heute ist der gleiche wie 2019, als ich das Camp Vučjak gesehen habe. Es gab keine Sanitäranlagen – allein, was da für ein Geruch war! Dazu Verletzte; Menschen, die von der Polizei geschlagen wurden. Das lässt mich bis heute nicht los.“
SOS Balkanroute sammelte Spenden für Geflüchtete und machte in der Öffentlichkeit Druck in Sachen Vučjak. Im Dezember 2019 wurde das Camp geschlossen. 2020 erhielt SOS Balkanroute den Ute Bock-Preis für Zivilcourage.
Aktuell besteht die NGO aus zwei Teilzeitangestellten und einigen Ehrenamtlichen. Diesen Frühling gelang ein neuer Coup: In Lipa, Bosnien, sollte ein Abschiebezentrum entstehen. SOS Balkanroute deckte auf, dass dabei ein Gefängnis geplant war: Errichtet wurde die Hafteinheit vom International Center for Migration Policy Development (ICMPD), das vom Ex-ÖVP-Vizekanzler Michael Spindelegger geleitet und öffentlich gefördert wird. Grüne, SPÖ und Neos forderten Aufklärung. Die grüne Migrationssprecherin Ewa Ernst-Dziedzic sprach nach einem Lokalaugenschein mit SOS Balkanroute von einem „menschenrechtlichen Desaster“. Das Gefängnis kam massiv in die Kritik, Bosnien stoppte schließlich das Projekt.
„Die Menschen hier sollen wissen, wie die rotweißrote neokoloniale Westbalkan-Politik aussieht. Die Verantwortung Österreichs am Balkan ist eine große.“ Rosandić formuliert klar, manchmal scharf. Er weiß, dass das hilft, um die Aufmerksamkeit zu generieren, die seine Missionen benötigen.
Dorn im Auge. Im Fall von Lipa hat ihm das eine Klage eingebracht. SOS Balkanroute und er persönlich wurden vom ICMPD auf Unterlassung und Widerruf verklagt, die Organisation sah in Rosandić’ Formulierung „Guantánamo in Europa“ Kreditschädigung.
Das Wiener Handelsgericht wies im Juli die Klage ab. Ein Erfolg für SOS Balkanroute und die Zivilgesellschaft. Für Rosandić steht fest: ein Versuch, ihn mundtot zu machen und andere Menschenrechtsaktivist:innen abzuschrecken. Er ging im Sommer zudem davon aus, dass das ICMPD in Berufung gehen wird und das Verfahren sich noch lange hinziehen könnte: „Man will uns zermürben.“
Gegenwind ist er gewohnt. Schon als Musiker sprach er sich deutlich gegen Diskriminierung, Sexismus und Kommerzialisierung aus. Das passte einigen in der Rapszene und darüber hinaus nicht: „Ich hab’ mich mit allen angelegt“, sagt Rosandić und lächelt frech.
Harte Beats, kein Blatt vor dem Mund: Der Zorn, der in seiner Musik deutlich wird, ist einer über Missstände auf dieser Welt. An erster Stelle stehen für ihn dabei die Schicksale von Menschen ohne Lobby. „Ohne Empathie kann unsere Gesellschaft nicht überleben“, so Rosandić.
Unterstützungsmöglichkeit für die NGO Balkanroute in Bezug auf die Klage:
IBAN: AT20 2011 1842 8097 8400
Kontoinhaber: SOS Balkanroute
Verwendungszweck: ICMPD Klage
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